Steffen Anton, 21.09.2025
Von „Zwiebel-Jack räumt auf“ (Original: „Cipolla Colt“ ) erfuhr ich das erste Mal mit zehn Jahren vom damaligen Freund meiner Schwester. Der Film sei von der Art wie die Filme mit Bud Spencer und Terence Hill. Auf dem Kinoplakat sei eine Zwiebel mit einem Revolvergürtel abgebildet. Ich war seinerzeit (und bin es heute noch) großer Fan der italienischen Prügelkomödien, daher war mein Interesse geweckt. Kurze Zeit später, am 14. April 1990, war es dann soweit: Das Fernsehen der DDR strahlte den Film aus.
Die Handlung ist im Texas des Jahres 1910 angesiedelt, Zwiebel-Jack muss gegen einen fiesen Ölbaron bestehen. Die Zeit des Wilden Westens ist fast schon vorbei, Technik und Industrie haben Einzug gehalten. Das verleiht dem Film eine ungewöhnliche, doch interessante Atmosphäre. Das im Jahr 1975 entstandene Werk von Enzo G. Castellari sieht sich zwar in der Tradition der damals beliebten Spencer/Hill-Filme, besticht jedoch durch einen fast schon ins surrealistisch-absurde überzogenen Slapstick-Humor.
Ich hatte den Film seit 1990 nicht mehr gesehen und mir vor einigen Jahren die Blu-ray zugelegt. Oft ist es so, dass das erneute Anschauen eines Films nach langer Zeit zur Enttäuschung wird. Ich wurde jedoch wieder einmal köstlich unterhalten und habe viele Details entdeckt, die ich als Kind nicht bemerkt hatte oder noch nicht einzuordnen wusste.
Der Oberbösewicht Petrus Lamb (Martin Balsam) zum Beispiel hat eine mechanische Hand aus Metall sowie einen Diener namens Adolf (Massimo Vanni), welcher einer gewissen historischen Figur nachempfunden ist. Irgendwann durchbricht der Gangsterboss die vierte Wand und teilt dem Zuschauer mit, dass er große Bedenken hinsichtlich seines Assistenten habe.
In einer anderen Szene wird ein Indianer erschossen und während er umfällt, wird er direkt automatisch begraben. Dies wird erreicht, indem die Sequenz rückwärts abläuft. Als Zwiebel-Jack mit seinem Karren in die Stadt kommt, stürzt ein (offensichtlich und sicherlich beabsichtigt als solcher zu erkennender) mechanischer Vogel ab, weil er durch den Geruch der Zwiebeln betäubt ist. Es gibt mehrere Highspeed-Sequenzen, die sich an der „Klamottenkiste“ oder Benny Hill orientieren. Unter anderem eine Verfolgungsjagd, während der Zwiebel-Jack mit dem Fahrrad unterwegs ist. Er fährt in ein umgekipptes Fass hinein, um aus einem andern auf einem Pony reitend wieder herauszukommen. Irgendwann werden drei Ratten mit Hüten eingeblendet. Und der Sheriff trägt Damenunterwäsche. Dies sind nur einige der Absurditäten, welche der Film bietet.
Mit dem als „Django“ berühmt gewordenen Franco Nero wurde ein Darsteller engagiert, welcher mit seinen blauen Augen und durch sein Spiel stark in Richtung Terence Hill geht. Das ist ein interessanter Zusammenhang: Auch Hill hat die ikonische Figur des „Django“ bereits verkörpert. Die deutsche Synchronisation von Rainer Brandt sowie der tolle Soundtrack von Maurizio und Guido De Angelis vermitteln viel vom Flair der damaligen Spaßwestern. Ich habe die Filmmusik seinerzeit mit einem Kassettenrekorder aufgenommen und im Nachhinein immer wieder angehört.
Dass der Film 2014 in der Reihe „SchleFaZ“ von Oliver Kalkofe und Peter Rütten gezeigt wurde, zeigt, dass die beiden den Film nicht verstanden haben. Denn „Cipolla Colt“ zieht seine Komik nicht aus einem trashigen Drehbuch, miesen Kulissen oder dem Unvermögen des Regisseurs. Alles, was gezeigt wird, geschieht aus purer Absicht und ist sowohl eine Verbeugung vor den Spencer/Hill-Filmen als auch eine absurde Satire auf Technik und Industrialisierung.
Mein Fazit lautet daher: Unbedingt anschauen!
Hinweis: Dieser Text erschien erstmals am 9. Mai 2021 auf Retrokram und wurde für die Neuveröffentlichung stark überarbeitet und erweitert.